CDU Kreisverband Rottweil

Gemeinsame Erklärung der CDU- Fraktion im Landtag von Baden Württemberg und der CDU-Landesgruppe Baden-Württemberg im Deutschen Bundestag zur Flüchtlingspolitik

1. Große Herausforderung – die Gesellschaft nicht überfordern
Nach der Prognose des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) kommen allein bis Jahresende 2015 mehr als 800.000 Asylbewerber nach Deutschland.

Für Baden-Württemberg bedeutet dies eine Aufnahme von über 100.000 Flüchtlingen und damit eine Vervierfachung zum Vorjahr (2014: 26.000 Asylanträge). 
Hauptherkunftsländer waren im ersten Halbjahr in Deutschland Syrien (21,5 %), Ko-sovo (15,3%), Albanien (15,0%), Serbien (5,9%), Irak (5,4%), Afghanistan (5,2%) und Mazedonien (2,8%). Damit entfallen auf den Westbalkan fast 40% aller Asylantragstel-ler. Die Schutzquote für Staatsangehörige dieser Länder tendiert jedoch gegen Null.
Die Bundesregierung hat am 6. September einen umfangreichen Maßnahmenkatalog vorgelegt. Baden Württemberg darf jetzt nicht mehr zögern, sondern muss schnell und beherzt handeln, um die Herausforderungen der gegenwärtigen Einreisewelle zu meis-tern.
Die CDU-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg und die CDU-Landesgruppe Baden-Württemberg im Deutschen Bundestag sind sich einig, dass Baden-Württem-berg ein Konzept braucht, um die große Offenheit unserer Mitbürgerinnen und Mitbür-ger und deren ehrenamtliches Engagement auch künftig sicherzustellen und gleich-zeitig Krisensituationen und Überforderung auf kommunaler Ebene zu vermeiden.
2. Unverzüglich weitere sichere Herkunftsstaaten benennen
Die sicheren Herkunftsstaaten sind – bis zu einer möglichen Regelung auf Ebene der EU – um zumindest Albanien, Montenegro und das Kosovo zu ergänzen. Hierdurch wird ein deutliches politisches Signal an die dortigen Regierungen und die Bevölkerung gesandt und Versprechungen von Schleppern und Schleusern der Boden entzogen. Die Landesregierung wird aufgefordert, diese Vorschläge aktiv zu unterstützen und ihre Zustimmung im Bundesrat nicht länger von parteipolitischen Erwägungen abhän-gig zu machen. Das Leid der Flüchtlinge und die täglich wachsenden Probleme der Kommunen sowie die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg dür-fen nicht noch länger zum Spielball grüner Parteiinteressen werden. Selbst wenn auch in Zukunft Angehörige dieser Staaten in Deutschland um Asyl nachsuchen sollten, wird
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jedenfalls die Dauer ihrer Verfahren erheblich herabgesetzt und das Anwachsen des Zustroms sehr deutlich begrenzt.
3. Fehlende zwischenstaatliche Solidarität beim Flüchtlingsschutz sanktionie-ren
Die Europäische Union basiert auf Rechtsstaatlichkeit und gelebter, zwischenstaatli-cher Solidarität. Die Hilfe als Reaktion auf die Gräueltaten, die sich insbesondere im Nahen und Mittleren Osten derzeit vollziehen, muss auf Ebene aller Mitgliedstaaten solidarisch umgesetzt werden. Dies bedeutet die Unterstützung durch die Europäische Union, wo Mitgliedstaaten die Kapazitäten fehlen, um selbst rechtmäßige Zustände bei der Grenzkontrolle und der Durchführung von Asylverfahren sicherzustellen. Hierzu wollen wir die Befugnisse der EU-Grenzschutzagentur Frontex stärken. Die Sicherung der Außengrenzen und die Verhinderung illegaler Einreisen und von Schleuserkrimi-nalität müssen oberste Priorität haben. Bei der Aufnahme von Flüchtlingen sind alle Mitgliedstaaten gefordert. Jedes EU-Mitglied muss entsprechend seiner Größe und Leistungsfähigkeit Flüchtlinge aufnehmen.
Wir begrüßen, dass die Europäische Kommission nun verstärkt die Einhaltung und Umsetzung des EU-Asylrechts durch die Mitgliedstaaten überwachen wird und notfalls mit Vertragsverletzungsverfahren durchsetzen will.
Wir brauchen darüber hinaus eine weitere Stärkung und auch Durchsetzung der ge-meinsamen europäischen Asylpolitik, um eine gezielte Antragstellung in einzelnen Staaten zu vermeiden. Zu ihr gehören eine einheitliche Definition, welche Staaten auf europäischer Ebene als sichere Herkunftsländer gelten können, und vor allem ein ein-heitliches Niveau bei den Sozialleistungen
EU-Mitgliedstaaten, die sich der Solidarität entziehen, sollten ihrerseits aber auch nicht in den Genuss von Fördermitteln oder Privilegien kommen, die sich aus den offenen Grenzen innerhalb Europas und mit seinen Anrainern ergeben. Für kooperationsun-willige Drittstaaten sollte auch die (vorübergehende) Wiedereinführung der Visums-pflicht für die Einreise in die EU in Betracht gezogen werden.
4. Unterbringungsinfrastruktur flächendeckend koordinieren
Die Beschaffung der zur Unterbringung von Flüchtlingen erforderlichen Logistik (insb. Gebäude in Fest- oder Leichtbauweise, winterfeste Zelte, Ver- und Entsorgung, Bet-ten, Decken und Kochmöglichkeiten) muss aus einer Hand erfolgen. Das Land sollte hier den Sachverstand privater Projektträger einbeziehen und endlich ein Konzept für die Erst- und Anschlussunterbringung vorlegen, das landesweit alle Flächen erfasst, deren Nutzung zusammen mit den Kommunen prüft, auch etwaige Folgenutzungen
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bereits vorab bedenkt und schließlich sämtliche Bau- und Logistikmaßnahmen gebün-delt anbietet. Die Kommunen könnten sich dann bei Bedarf auf freiwilliger Basis aus einem solchen modularen Leistungsangebot bedienen.
5. „Notunterbringungen“ in Kommunen vermeiden
Zentrale Anlaufstelle für Flüchtlinge müssen die Landeserstaufnahmeeinrichtungen sein. Bei der Unterbringung in diesen Landeserstaufnahmeeinrichtungen muss auf eine regional ausgewogene Verteilung über die vier Regierungsbezirke geachtet wer-den.
Auch Flüchtlinge aus Ländern mit hohen Anerkennungsquoten sollen ohne Registrie-rung und medizinische Erstuntersuchung nicht an die Kommunen weiter geleitet wer-den. Um dies sicherzustellen, muss die Zahl der Landeserstaufnahmeeinrichtungen und die Gesamtzahl der Erstaufnahmeplätze umgehend deutlich erhöht werden.
Wer darüber hinaus mit dem Gedanken der Zwangseinweisung in privaten Wohnraum spielt, gefährdet die Akzeptanz der Flüchtlinge in der Bevölkerung und riskiert, dass die Stimmung kippt. Für uns kommt dieses deshalb nicht in Frage.
6. Verfahren durch Schaffung der Landeskompetenzzentren für Asyl und Flüchtlinge beschleunigen
Unsere Nachbarländer Schweiz und Niederlande haben mit der Einrichtung zentraler Erstaufnahmestellen, in denen alle Verfahrensschritte gebündelt und unter einem Dach erfolgen, gute Erfahrungen gemacht. In beiden Staaten konnte die Verfahrens-dauer erheblich gesenkt werden. Diese Erfahrungen sollten wir auch bei der Organi-sation der Erstaufnahme in Baden-Württemberg nutzen. Um die Verfahren zu be-schleunigen, schlägt die CDU die Schaffung neuer „Landeskompetenzzentren für Asyl und Flüchtlinge (LAF)“ vor, in denen die beteiligten Behörden Hand in Hand zusam-menarbeiten.
In diesen Landeskompetenzzentren sollen in Zukunft alle Maßnahmen und Leistungen bis zum Abschluss des Anerkennungsverfahrens gebündelt werden. Asylsuchende und Flüchtlinge sollen sich in diesen zentralen Einrichtungen so lange aufhalten, bis ihre Verfahren rechtskräftig abgeschlossen sind. Nur noch Personen mit langfristiger oder dauerhafter Bleibeperspektive werden nach positivem Abschluss des Anerken-nungsverfahrens auf die Kommunen verteilt. Nicht anerkannte Asylsuchende und Flüchtlinge müssen direkt aus den Landeskompetenzzentren heraus wieder ausreisen bzw. zurückgeführt werden.
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Die Möglichkeit der Duldung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von be-stimmten Ausländergruppen sowie weitere Abschiebungshindernisse wollen wir be-schränken; die Klage- und Prüfverfahren straffen. Eine bestehende Ausreiseverpflich-tung muss das Land konsequent durchsetzen.
Angesichts der weiter steigenden Flüchtlingszahlen ist die Landesregierung aufgefor-dert, die Personalstärke in den Erstaufnahmeeinrichtungen, den Sicherheitsbehörden, den Verwaltungsgerichten und den Ausländerbehörden spürbar zu erhöhen.
Das Organisationsversagen der Landesregierung zeigt sich darüber hinaus auch dadurch, dass mittlerweile in Arbeitsgruppen und Krisenstäben vier Landesministerien (Staatsministerium, Innenministerium, Ministerium für Arbeit und Soziales, Integrati-onsministerium) mitwirken müssen. Wir halten eine Bündelung der Zuständigkeit für die Flüchtlingsaufnahme und -unterbringung in einem leistungsfähigen Ministerium für dringend geboten. Das Integrationsministerium kann in der gegenwärtigen Lage keine eigenständige Koordinierungsarbeit leisten und muss daher in ein anderes Ministerium überführt werden.
7. Bei der Verteilung in die Erstaufnahmestellen ist die Herkunft stärker als bisher zu berücksichtigen
Das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen und Religionen auf engstem Raum sorgt in der Erstunterbringung zunehmend für Spannungen bis hin zu Gewalttaten. In den vergangenen zwölf Monaten kam es in Baden-Württemberg zu 1.870 Einsätzen der Polizei in Asylbewerberunterkünften. Dies sind durchschnittlich fünf Einsätze pro Tag. Darauf muss das Land reagieren: Mit mehr Polizei und mit nach Staatsangehö-rigkeiten getrennten Einrichtungen. Eine solche Spezialisierung beispielsweise der Landeskompetenzzentren für Asyl und Flüchtlinge könnte auch die Verfahrensdauern insbesondere für Personen aus sicheren Herkunftsstaaten und ohne dauerhafte Blei-berechtsperspektive verkürzen und mehr Rückführungen nicht bleibeberechtigter Per-sonen möglich machen.
8. Frühzeitige Integration durch Alltagserfahrung
Besonders unter dem Aspekt der verlängerten Aufenthaltszeiten in der Erstaufnahme ist eine Strukturierung des Tages- und Wochenablaufs wünschenswert. Hier leisten die vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer bereits eine wertvolle Arbeit. Dies muss jedoch noch besser durch hauptamtliche Kräfte unterstützt und durch aus Lan-desmitteln finanzierte Angebote etwa im Bereich der Sprachförderung, Schulung etc. ergänzt werden.
Die Landesregierung wird aufgefordert, die Kirchen und die Religionsgemeinschaften in die regelmäßige Schaffung von Angeboten zur Abhaltung von Gottesdiensten oder
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sonstigen rituellen Hochfesten einzubeziehen. Auch diese Anlässe sollen zur Vermitt-lung der deutschen Sprache genutzt werden können. Durch solche Angebote wird zu-dem Sekten und Extremisten begegnet, denen wir in den Erstaufnahmestellen keinen Raum bieten dürfen.
Eine rasche Integration bleibeberechtigter Bürgerkriegsflüchtlinge in Arbeit und Gesell-schaft wird durch einen strukturierten Alltag erleichtert. Für Menschen aus Regionen mit einer sehr hohen Schutzquote sollten während der Erstaufnahme Kurse zum Er-lernen der deutschen Alltagssprache angeboten werden. Die Landesregierung wird aufgefordert, hierbei auch bestehende Lernkonzepte anderer Länder (z.B. Bayerns in Zusammenarbeit mit dem BAMF) umzusetzen. Darüber hinaus sollten für die Dauer des Aufenthalts in der Erstaufnahme Angebote für gemeinnützige Tätigkeiten geschaf-fen werden.
Um eine rasche und optimale Eingliederung von Menschen aus Regionen mit sehr hohen Schutzquoten in den Arbeits- und Ausbildungsmarkt zu ermöglichen, müssen die vorhandenen beruflichen Qualifikationen bereits im Zuge der Erstaufnahme erho-ben werden. Gleichzeitig werden wir auf eine schnelle Anerkennung der bereits vor-handenen und belegbaren Qualifikationen achten. Vor allem in Mangelberufen sollten für Menschen aus Regionen mit einer sehr hohen Schutzquote möglichst noch in der Erstaufnahme in Zusammenarbeit mit der regionalen Wirtschaft und dem ärztlichen und pflegerischen Sektor Praktikumsmöglichkeiten geschaffen werden. Darüber hin-aus gehende Weiterungen der Arbeitsaufnahme sind nicht geboten, um keine zusätz-liche Anreizwirkung für die Anreise nach Deutschland zu schaffen. Eine Arbeitserlaub-nis für alle Asylbewerber ab dem ersten Tag wäre das falsche Signal.
Von Beginn an müssen die Grundwerte der freiheitlichen demokratischen Grundord-nung vermittelt werden. Dazu kann auch gehören, dass in den Aufnahmeeinrichtungen untergebrachten Menschen bei der Gestaltung ihres Aufenthalts durch eine formali-sierte Beteiligungsmöglichkeit (z.B. gewählte Beiräte) einbezogen werden.
9. Fehlanreize vermeiden – Vorrang des Sachleistungsprinzips
Wir fordern die konsequente Anwendung des Sachleistungsprinzips bei der Unterbrin-gung und Versorgung der Asylbewerber. Hierdurch werden Fehlanreize für eine Ein-wanderung nach Deutschland aus asylfremden Gründen vermieden. Zudem wird der organisierten Schleuserkriminalität eine nachlaufende Finanzierungsquelle entzogen. Schließlich kann die landesweit standardisierte Ausgabe von Gutscheinen / Wertkar-ten auch zu Einsparungen durch eine zentralisierte Beschaffung führen.
Asylbewerber werden bereits heute in Deutschland medizinisch ordentlich versorgt: Ein Flüchtling, der akut erkrankt ist oder unter Schmerzen leidet, kann sich auf eine Versorgung verlassen. Die grün-geführte Landesregierung fordert darüber hinausge-hend seit längerem die Einführung einer Gesundheitskarte für Asylbewerber und eine deutliche Ausweitung der Leistungen auf das Niveau der GKV. Eine solche Karte hat hohen Symbolcharakter und stellt für Staatsangehörige der Westbalkanstaaten einen
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erheblichen Anreiz für einen Asylantrag da. Ihre Einführung wäre das falsche Signal. Eine Leistungsausweitung lehnen wir ab.
Es sollte geprüft werden, ob die Einwanderung zur legalen Arbeitsaufnahme in Zukunft vorrangig über die deutschen Auslandsvertretungen abgewickelt und entsprechende Antragsaufnahme- und Beratungsstellen in den Auslandsvertretungen geschaffen werden können, um die Ausländerbehörden in Deutschland zu entlasten und den Men-schen einen Anreiz zu geben, auf den Weg des Asylrechts zu verzichten. Erste Pilot-zentren könnten in Auslandsvertretungen in Ländern des westlichen Balkans oder des nördlichen Afrika entstehen.
10. Schleuserkriminalität und illegale Einreise bekämpfen
Wir fordern die Landesregierung auf, durch verstärkte Bestreifung mit Zivilfahndern auf den Autobahnen in Grenznähe die Schleuserkriminalität und illegale Einreise zu be-kämpfen. Ein wirksames Bekämpfungsmittel ist auch der Einsatz der automatischen Kennzeichenlesesysteme. Baden-Württemberg hat dafür die rechtlichen und techni-schen Voraussetzungen bereits geschaffen. Der Einsatz scheitert bisher an der grün-roten Landesregierung.
Hierzu werden wir gezielte Aufklärungskampagnen insbesondere in sicheren Drittstaa-ten durchführen, die den falschen Versprechungen der Schleuser den Boden entzie-hen.
11. Polizei für weitere Herausforderungen stärken
Die Polizei Baden-Württemberg hilft derzeit aktiv bei der Bewältigung des Flüchtlings-stroms, wie etwa der Registrierung von Asylbewerbern oder Sicherung von Unterkünf-ten, mit. Sie trägt damit dazu bei, dass sich Baden-Württemberg als weltoffenes und sympathisches Land präsentieren kann. Wir fordern die Landesregierung auf, die Po-lizei, insbesondere an Standorten von Landeserstaufnahmestellen, personell zu ver-stärken. Als Dienstherr muss das Land aber auch dafür Sorge tragen, dass der Ge-sundheitsschutz der Beamtinnen und Beamten gewahrt bleibt.
12. Ehrenamtliche unterstützen
Zahlreiche Menschen in Baden-Württemberg engagieren sich ehrenamtlich bei der Betreuung der Flüchtlinge. Das freiwillige Engagement der Bürgerinnen und Bürger schätzen wir sehr. Menschen, die sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe und Unter-bringung engagieren, wollen wir im ganzen Land unterstützen und fördern. Dafür wol-len wir Koordinierungsstellen einrichten, die Vernetzung, Information und Qualifizie-rung organisieren